holyEATS #3: Der Spuk um Ikeas Gastro-Ambitionen, Open Table trickst, spendable Lieferessenbesteller

holyEATS #3: Der Spuk um Ikeas Gastro-Ambitionen, Open Table trickst, spendable Lieferessenbesteller

Foto: IKEA Food Services
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Happy Birthday, Ikea-Restauranketten-Gründungsgerücht!

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Ihr Fleischbällchen, oh kommet: Das lange (klickträchtige) Warten auf Ikeas eigene Restaurantkette

Alle paar Wochen geistert das Gerücht, Ikea wolle eine eigenständige Restaurantkette eröffnen, in einer neuen Spukrunde durch die Medien. Und alle paar Wochen erklärt die Ikea-Pressestelle daraufhin (ohne zu dementieren): Interessante Idee, nur konkrete Entscheidungen gibt es bislang keine (hier und dort z.B.). Nach einer kurzen Pause geht alles von vorne los.

Bald feiert dieses Pingpong-Spiel seinen 1. Geburtstag: Im April des vergangenen Jahres hatte „Fast Company“ berichtet, Ikea denke über separate Standorte für seine erfolgreichen Möbelhaus-Restaurants nach. (Die exakte Formulierung war: „the company is mulling over the idea“). Michael La Cour, Managing Director von Ikea Food Services, erklärte damals: „I firmly believe there is potential.“ Seitdem steht für Journalisten täglich der große Ikea-Gastro-Angriff bevor.

Zeitnah im April vorigen Jahres berichtete z.B. „Business Insider“ (noch mit Verweis auf „Fast Company“), im November legte sueddeutsche.de nach und für die Klicküberschriften-geübten Abschreibexperten des Trashportals chip.de war eh schon alles klar: „Sensation! Ikea plant eigene Restaurants – und sie kommen in Ihre Stadt.“ Anlass für die kürzliche Reprise (ursprüngliche Überschrift: „Ikea plant eigenes Fastfood und kommt wohl in Ihre Stadt“ – Überschrift inzwischen geändert) war höchstwahrscheinlich das „Space 10“-Food-Labor in Kopenhagen, wo Ikea öffentlichkeitswirksam Ernährungstrends der Zukunft erforschen lässt und Hotdog-Brötchen aus Algen bzw. Insektenburger kreiert (über die ein Ikea-Sprecher sagt, es gebe keinerlei Pläne, sie in den regulären Restaurants auf die Speisekarte zu setzen).

Die Meldung über die möglichen Bemühungen des schwedischen Wegwerfmöbelkonzerns, Vollzeitgastronom zu werden, sind auch deshalb so reizvoll, weil sie so plausibel klingen. Zum einen listet die Branchenzeitschrift „Food Service“ Ikea jährlich in den Top 10 der erfolgreichsten Systemgastronomen Deutschlands – noch vor Vapiano, Starbucks, Domino’s. Zum anderen wären Restaurants in City-Lagen ideal, um sie mit Abholstationen zu kombinieren. Und schließlich ist der Prototyp des innerstädtischen Ikea-Restaurants schon seit drei Jahren höchst erfolgreich in Betrieb: Seit seiner Eröffnung ist das Restaurant des Ikea-City-Möbelhauses in Hamburg-Altona quasi offizielle Kiezkantine.

Am Ende ist’s fast egal, ob es tatsächlich konkrete Pläne für eine eigenständige Restaurantkette gibt. Weil Ikea auch ohne eine einzige Eröffnung einen Werbeeffekt erzielt, der alleine mit dem Verkauf wackeligen Faltmobiliars schon lange nicht mehr zu erreichen wäre.

Also: Happy Birthday, Ikea-Restauranketten-Gründungsgerücht!


Open Table und die Tricks der Reservierplattform

Wenn man sie ließe, würden die Deutschen vermutlich auch vor ihrem Besuch im Schnellrestaurant einen Tisch reservieren, um ja nicht das Risiko spontaner Sitztplatzerkämpfung eingehen zu müssen. Insofern besteht keinerlei Zweifel daran, dass der Durchbruch App-basierter Reservierungsplattformen auch hierzulande nicht zu verhindern ist. Der Platz(reservier)hirsch unter den Anbietern heißt Open Table, kommt aus den USA und digitalisiert – ähnlich wie die Liefervermittler von pizza.de und Lieferando – einen Prozess, der bisher per Telefon erledigt wurde. Aber online viel einfacher geht: Restaurant aussuchen, Zeit und Zahl der Gäste in die App eingeben, hingehen. Oder halt: nicht.

In Chicago mussten zahlreiche Restaurants in den vergangenen Wochen Umsatzausfälle hinnehmen, weil Gäste ihre Online-Reservierungen verfallen ließen ohne vorher Bescheid zu sagen – und die Tische leer blieben. Genau genommen handelte es sich nur um einen einzigen „Gast“: einen übereifrigen Open-Table-Mitarbeiter, der einen ganzen Schwung Scheinreservierungen abgesendet hatte, offensichtlich um Restaurants, die zum Konkurrenten Reserve übergelaufen waren, wieder zurück zu holen.

Open Table versichert, dass dies auf eigene Faust geschehen sei, entließ den Mitarbeiter und entschuldigte sich. Diese Entschuldigung verliert jedoch geringfügig an Glaubwürdigkeit, wenn man liest, welchen Tricks sich die Reservierungsplattform sonst noch so bedient. In der „Chicago Tribune“ berichtet ein Gastronom, Open Table habe in Google-Anzeigen auch dann noch mit dem Namen seines Restaurants geworben, als das schon längst beim App-Konkurrenten gelistet war. Nach dem Klick bekamen Nutzer angezeigt, das von ihnen gesuchte Restaurant sei nicht mehr verfügbar – und direkt passende Alternativen auf Open Table empfohlen.

Das erinnert zunächst sehr an die Amazon-Praxis, Kunden auch Konkurrenzprodukte anzuzeigen, wenn die nach einer bestimmten Marke nicht bei Amazon verfügbaren Marke suchen. Der Fall, der momentan vor Gericht geklärt wird, ist allerdings kompliziert. Offensichtlich kann sich die Gastronomie aber schon mal darauf einstellen, dass es ihr demnächst ganz ähnlich geht.


Nachhausebesteller sind spendabler als Draußensnacker

Wir essen immer häufiger draußen, wenn wir tagsüber unterwegs sind. Und öfter drinnen, weil wir erledigt sind vom vielen Unterwegssein. Wie unterschiedlich die Budgets für Snacks und Lieferessen ausfallen, veranschaulichen zwei aktuelle Umfragen.

Die erste stammt vom Hamburger Feinkosthersteller Delikant, der im „Snack Monitor“ jährlich die Gewohnheiten deutscher Zwischendurchesser abfragt. Nach wie vor sind vor allem „Brotsnacks“ gefragt. Fast ein Drittel der Befragten kauft mehrmals die Woche extern Belegtes (30,1%). Die Mehrheit ist bereit, zwischen 2 und 4 Euro für ihren Snack auszugeben. Ist er „warm“ und „sättigend“, gehen auch mal 4,50 Euro. (Womit sich der Erfolg von Snack-Discountern wie Backwerk und Back Factory erklären lässt.) Der „Snack Monitor“ weiß auch, wie’s weitergeht: noch ein bisschen billiger. „Der klassische Bäcker verliert. Er steht mit seinem Verkaufspersonal unter Druck, während der LEH und die LEH-Backstationen deutlich zulegen“ (via „Food Service“).

Der entgegengesetzte Trend lässt sich im Delivery-Markt beobachten. McDonald’s hat bereits die Erfahrung gemacht, dass Gäste mehr bestellen, wenn sie den Big Mac ans heimische Sofa geliefert kriegen (zum Teil, weil in einem Rutsch für mehrere Esser geordert wird). Weil Gäste in der App mit nur einem Wisch dasselbe wie beim vorigen Mal ordern könnten, werde auch öfter bestellt, sagt der Digital-Chef der amerikanischen Fast-Casual-Kette Chipotle im „Adweek“-Überblick zur voranschreitenden Appisierung von Restaurantketten. Darin steht auch, dass Kunden, die per App bestellen, bei klassischen Fastfood-Anbietern im Schnitt 26 Prozent mehr Geld ausgeben als an der Theke (bzw. 13 Prozent mehr bei den nachgerückten Fast-Casual-Anbietern; Umfrage von Deloitte, PDF ).

Was Snacker draußen sparen, geben sie später also im Zweifel dafür aus, Essen nach drinnen gebracht zu kriegen.


Nachschlag

  • Der britische Gastrokritiker Jay Rayner ist das Kommentargejammer über angeblich zu hohe Preise in Restaurants leid: „Oi you! Yes you! The one whingeing about the cost of the restaurants I review: READ THIS.“ (jayrayner.co.uk)
  • Kleckerfrei Burgeressen? Kein Problem, dank Ketchup in Scheiben, der gerade von „Slice pof Sauce“ crowdgefundet wird. (Kickstarter via Food Republic)
  • Um ein bisschen vom Siegeszug des Konkurrenten Lieferando abzulenken, hat pizza.de hat die käsigste Käsepizza der Welt backen lassen. (guinnessworldrecords.com)
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