holyEATS #51: Burger King kann kein Veggie, Frittenwerk wächst mit Pflanzen-Snacks, Micky Maus mag Fleischersatz

holyEATS #51: Burger King kann kein Veggie, Frittenwerk wächst mit Pflanzen-Snacks, Micky Maus mag Fleischersatz

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Systemgastro-Allstars tun sich schwer, ihre Prozesse für Nichtfleischesser anzupassen.

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Burger King 2020: 100% Innovation – 0% Ironie*!

Manchmal ist der Grat zwischen zukunftszugewandtem Quickservice und vergangenheitsverklemmter Systemgastronomie so schmal wie ein labbriger Pommes. Niemand demonstriert das derzeit besser als Burger King. Aktuell wirbt die über 60 Jahre alte Marke breitbeinig mit einem im Zeitraffer schimmelnden Whopper, um am Ende des Spots „The Beauty Of No Artificial Preservatives“ zu feiern. Keine Konservierungsstoffe, keine Farbstoffe und keine künstliche Aromen – ja-ha, das können die! Aber: kein Fleisch? Ähm, die Angelegenheit ist kompliziert.

Im November hat Burger King europaweit den „Rebel Whopper“ mit rein pflanzlichem Patty ins Sortiment genommen, zusammengeleimt vom Unilever-Ableger The Vegetarian Butcher. Während der Zubereitung im Restaurant wird aus dem veganen Produkt allerdings: ein nicht-veganes. Und zwar per „Kreuzkontamination mit Rinderfett“, wie Burger King auf Plakaten hinweist, weil der „Rebel“ auf demselben Grill wie seine Fleischkumpels gebraten wird. Das gehört so!, behauptet die Kette, seitdem sich Gäste darüber aufregen und Medien lustig machen: Der Ersatz-Whopper richte sich nämlich vorrangig an Flexitarier, also manchmal weniger Fleisch essende Fleischesser:innen, nicht an nie Fleisch essende Nichtfleischesser:innen.

Foto: holyEATS

Der Aufwand, den Burger einfach so zuzubereiten, dass er theoretisch von allen Gästen verzehrt werden könnte, war Burger King offensichtlich zu groß. (Anders als McDonald’s Deutschland, wo der Patty für den im Vorjahr eingeführten McVegan angeblich in eine separate Fritteuse kommt.) Das hat den König der Fleischbuletten aber nicht davon abgehalten, mit seinem Werbeslogan „100% Whopper – 0% Beef“ zumindest einen anderen Eindruck zu erwecken. Und führt unweigerlich zu der Frage, wie sehr man eigentlich einem Fastfood-Laden trauen sollte, der sich damit rühmt, unnötige Zusatzstoffe in seinen Produkten wegzulassen, während er seinen Produkten zubereitungsbedingt unnötige Zusatzstoffe zuführt.

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In den USA verkauft Burger King seit längerem den Impossible Whopper mit Pflanzen-Patty von Impossible Food – und abgesehen davon, dass Mitarbeiter damit gehörig durcheinander kommen, ist das Grillproblem dort dasselbe. Natürlich hat deswegen bereits der erste Kunde geklagt. Seitdem betonen die Verantwortlichen, dass man in den Restaurants auch nach einer „alternativen Zubereitung“ des Burgers fragen können: in der Mikrowelle. Kein Spaß. (Hierzulande erfand die Kette für den „0% Beef*“-Burger sicherheitshalber den supertraurigen Sternchentext: „*bezogen auf den Rohzustand“.) Es braucht aber nicht zwangsläufig Fleischersatz, um sich so zu blamieren. Der McDonald’s-Veggie-Burger in Neuseeland ist – Überraschung!: ebenfalls nicht komplett vegetarisch.

Diese Beispiele verraten viel über schlechtes Marketing. Mehr aber noch darüber, wie schwer sich Quickerservice-Formate der Vorjahrtausendwende damit tun, ihre Systemprozesse so anzupassen, dass sie den Ansprüchen einer neuen Gäste-Generation genügen können. Die geht, wenn sie Appetit auf Fastfood hat, halt einfach zu Konkurrenten, die nicht ganz so fest an der Vergangenheit klammern.

(*Durch die Art der Textformulierung kann es zu einer Kreuzkontamination mit ironischen Bemerkungen kommen.)


Veggie-Strategien bei Frittenwerk, Taco Bell & Co.

Zum Beispiel zu Frittenwerk: „Wir haben zum einen auf Gästefeedback gehört und uns zum anderen selbst hinterfragt: Was ist uns wichtig? Wofür wollen wir stehen?“, erklärt Gründerin My Skendo bei „Food Service“ die konzeptionelle Weiterentwicklung ihrer vor fünf Jahren gegründeten „Pommesmanufaktur“. Und dass sich deshalb „unser vegetarisches und zunehmend auch unser veganes Angebot kontinuierlich vergrößert“ habe. Es gehe nicht darum, „blind irgendwelchen kurzweiligen Trends“ zu folgen, sondern die langfristige Entwicklung im Blick zu haben. Und die zeige „klar in Richtung Veggie“: „Momentan sind 60 Prozent unserer Bestellungen vegetarisch, Tendenz steigend.“

Während es etablierten Anbietern große Mühe bereitet, auch nur schmale Veggie-Schneisen in ihre fleischfokussierten Karten zu schlagen, etablieren Fast-Casual-Nachfolger:innen (z.B. Beets & Roots oder Stadtsalat) zunehmend von vornherein vegetarische bzw. vegane Basisangebote, die Gäste nach Belieben mit Hähnchen, Hackbällchen oder Shrimps ergänzen können. Diese Konzepte zielen genauso auf den Mainstream wie die großen Quickservice-Marken – nur halt mit dem festen Glauben, dass der heute nicht mehr derselbe ist wie vor 20 oder 30 Jahren.

Das erkennen zunehmend auch klassische Fastfood-Anbieter: Bei der nicht unbedingt für ihre Rindfleischkulinarik bekannten amerikanischen Burgerkette White Castle lässt sich der „Impossible Slider“ künftig auch als Cheeseburger mit veganem Käse ordern, berichtet „Food Business News“. Außerdem habe die Kette die Rezeptur ihrer Burgerbrötchen verändert, um sie vollständig vegan anzubieten. Taco Bell hat vor längerer Zeit einen „Make-it-meatless“-Button in App und Bestellterminals integriert. Mit einem Klick wird aus jedem angebotenen Gericht eine vegetarische Variante – mit einem Mix aus Bohnen und Reis statt Hackfleisch. Ohne dafür durch zusätzliche Menüs scrollen zu müssen. Fast überall in der Branche wird an Lösungen gearbeitet, Speisenangebote für mehr Zielgruppen zugänglich(er) zu machen. Mal abwarten, wieviel Platz da künftig noch für diejenigen ist, die lieber kreuzkontaminieren.


Fleisch-Alternativen von Dunkin’ bis Disney

Foto: holyEATS

Vielleicht geht zumindest der Hype um pflanzenbasierte Fleischnachbauten wieder von alleine weg, wie der CEO von Chipotle vermutet? Naja, dauert wohl noch ein bisschen.

KFC bietet in den USA gerade hähnchenfreie Beyond Fried Chicken Nuggets an; in Kanada testete McDonald’s den PLT („plant, lettuce and tomato“); Pret A Manger hat VLT– und Chuna-Baguettes mit veganer Mayo und Kichererbsen-Zubereitung als Thunfisch-Ersatz entwickelt; ab August gibt es bei Ikea fleischlose Fleischbällchen; Pizza Hut backt Incogmeato Pizza; Dunkin promotete sein landesweit eingeführtes Beyond Sausage Breakfast Sandwich am New Yorker Times Square; Starbucks verkauft ab sofort ein pflanzenbasiertes Breakfast Sandwich in Kanada; Burger King kommt mit dem Impossible Croissan’wich; und der vorläufige Höhepunkt dürfte erreicht sein, seitdem sich Disney fürs Essen in seinen Themenparks mit Impossible Foods zusammengetan hat und nun Micky-Maus-Silhouetten auf Impossible Meatball Subs grillt.


Nachschlag

Internationaler geht’s kaum: Im vergangenen Jahr hat sich die türkische „Café- und Brasserie-Kette mit mediterranem Charme“ und dem eher amerikanisch klingenden Namen Big Chefs in der Frankfurter Ess-Etage Foodtopia auf der Zeil eingerichtet. Amerikanisch mutet auch die rie-hie-sige Speisenwauswahl an, die in einer Art Bilderbuch präsentiert wird. Das ist alles hervorragend foodfotografiert; der auf den Tisch kommenden Speisenrealität hält vieles davon aber nicht so recht stand. Am ärgerlichsten ist jedoch: Einen Teil der Auswahl bietet Big Chefs die meiste Zeit des Tages gar nicht an. Frühstück gibt’s, wie in die Karte gepappte Aufkleber mit winziger Schrift verraten, nämlich nur zwischen 10 und 12 Uhr. Wehe dem, der um kurz nach zwölf noch ein Omelett salatkombinieren möchte oder mittags statt Pizza lieber Joghurt-Granola äße! Macht die Küche nicht. Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder einfach das verzehrte, womit ihm vorher in der Fotokarte der Mund wässrig gemacht wurde? Soviel Unflexibilität bei der selbst ernannten „Lifestyle-Kette“ ist irgendwie ziemlich – deutsch.

Die angekündigten Restaurantumrüstungen auf das neue zentrale Bestellsystem kosten Vapiano wahrscheinlich viel Geld. (Ahnen Sie auch schon, wer das bezahlen soll?)

Zuviel Veggie diesmal im Newsletter? Okay, bei KFC gibt’s bald „chicken and dougnuts“, kein Scherz. (Aber nur in den USA.)

Und wenn Sie schon immer mal ein McDonald’s-Bestellterminal mit „Windows Embedded POS Ready7“ booten sehen wollten: bitteschön!

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